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Artikel: Als Tischlergeselle in Frankreich - Die Compagnonnage

Als Tischlergeselle in Frankreich - Die Compagnonnage

Als Tischlergeselle in Frankreich - Die Compagnonnage

Die Compagnonnage zählt als eine der letzten echten Handwerksgebräuche in der heutigen weitestgehend digitalisierten Welt. 

In dem gemeinnützigen Verein "Association Ouvrière des Compagnons du Devoir" engagieren sich auch heute junge Handwerker aller Zünfte und dienen der Aus- und Weiterbildung junger Handwerker nicht nur in Frankreich. Sie sind vergleichbar mit der traditionellen Walz der deutschen Handwerksgesellen, allerdings sehr strukturiert und kombiniert sowie ergänzt mit praktischen und theoretischen Weiterbildungsmodulen.

Seit ihrer Gründung 1941 ist die Vereinigung der "Compagnons du Devoir" ihren Zielsetzungen treu geblieben und hat sich um die berufliche, kulturelle und menschliche Ausbildung auf der "Tour de France" gekümmert.

Der Ursprung der Commpagnonnage liegt weit zurück. Schon unter Karl dem Großen haben Gilden und Handwerksbruderschaften existiert. Im Mittelalter entwickelten sich reine Handwerksorganisationen, die es sich zur Aufgabe machten, das Handwerk zu fördern, zu schützen und seinen Nachwuchs auszubilden. Dabei hatte jede Berufsgruppe seine eigene "Compagnonnage". Ihre Mitglieder, Handwerksmeister und Gesellen zogen von Baustelle zu Baustelle und gaben ihre Erfahrungen und Berufskenntnisse bei der Arbeit solidarisch an die jüngeren, unerfahreneren Handwerker weiter.

Auf der Wanderschaft durch ganz Europa trafen sich Handwerker verschiedener Nationalitäten, Sprachen und Gewerke in den mittelalterlichen Bauhütten und schufen gemeinsam großartige architektonische Meisterwerke wie die gotischen Kathedralen. (Zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren z.B. französische Steinmetz-Compagnons am Kölner Dombau beteiligt)

Das ganze 19. Jahrhundert hindurch eroberte die Maschine immer mehr alle Handwerkszweige und bewirkte einen steten Rückgang des Handwerks an sich und damit auch ein Zurückgehen der Wandergesellenbewegung. Lediglich eine Handvoll übriggebliebener Compagnons aus mehreren Berufen konnte erst nach dem 2. Weltkrieg die Commpagnonnage wieder aufbauen. Aus diesem Zusammenschluss einiger alter Compagnonnagen gründeten sie schließlich die "Association Ouvrière des Compagnons du Devoir", in der erstmals verschiedene Kooperationen (Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Steinmetzte, Steinbildhauer, Stuckateure, Tischler, Schmiede, Schlosser, Karosseriebauer, Maschinenbauer, Dreher, Werkzeugmacher, Klempner, Gas- Wasserinstallateure, Klempner, Sattler, Raumausstatter, Polsterer, Bäcker, Konditoren, u.a.) vereinigt waren. 

Im Rahmen der beruflichen Fort- und Weiterbildung organisiert sie seit über 80 Jahren die Gesellenwanderschaft für junge Handwerker in ganz Frankreich und einigen europäischen Ländern. Der Bekanntheitsgrad der Compagnons in ihrem Heimatland ist aufgrund ihrer enormen fachlichen Expertise sehr hoch. Und nicht umsonst werden diesen erstklassigen Handwerker als Elite oder als Aristokraten des europäischen Handwerks betitelt.

Seit 1972 erstreckt sich der Aktivitätsumfang der Vereinigung nicht nur mehr die berufliche Weiterbildung von Gesellen, sondern auch auf die Ausbildung von Lehrlingen in Frankreich. Dazu stellen die Compagnons auf der "Tour de France" Lehrwerkstätten und Ausbilder zur Verfügung, die den jungen Handwerkern eine Berufsausbildung vermitteln. 

Doch die Aus- und Weiterbildung ist nicht nur fachlicher Natur. Region, Ort und Handwerksbetrieb werden regelmäßig gewechselt. Eine Auslandsstation ist dabei verpflichtend.

Den Verfasser führte es über Strasbourg, Lille und Valenciennes in verschiedene Unternehmen und Stationen.

Das Leben in einem der gut 60 Handwerkstätten und Wohnheimen fördert darüber hinaus Toleranz, Solidarität und eine gewisse Brüderlichkeit. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und das Verständnis für andere Kulturen und auch die Erweiterung der Sprachkenntnisse sind prägend fürs Leben.

Der Aufenthalt als deutscher Handwerksgeselle in Frankreich macht genau diese Herausforderung zu einer Art Reifeprüfung. Nach organisierter Vermittlung eines Arbeitsplatzes in einem französischen Betrieb wird man als Compagnon in einem Haus der Compagnons untergebracht.   

Die Wohnmöglichkeiten sind auf das Wesentliche reduziert und in der Regel wird ein Zimmer von zwei Gesellen geteilt. Es ist eben eine eingeschworene, verbindende Gemeinschaft, die Ansprüche stellt an die Eigenverantwortung an die berufliche Leidenschaft und das Leben in der Gesellschaft. Auch die hauswirtschaftlichen Aufgaben werden über alle Mitbewohner gleichen Teils verteilt.

Zu Anfang gibt es noch einige Verständigungsschwierigkeiten, mit den Compangnons und bei der Arbeit, die die jungen Deutschen aber relativ schnell überwinden. Durch das gemeinsam ausgeübte Handwerk und sein Vokabular fühlen sich die deutschen und französischen Gesellen auf menschlicher und beruflicher Ebene miteinander verbunden und können sich verständlich machen. Das erleichtert den Deutschen auch den Besuch der Weiterbildungskurse in Theorie und Praxis.

Am Ende eines Jahres in verschieden Städten in Frankreich können sich die deutschen Handwerker entscheiden, ob sie die Wanderschaft beenden oder weiterhin in der Compagnonnage bleiben wollen. Wenn sie sich für den Verbleib auf der „Tour de France“ entschieden haben, fertigen sie eine Art zweites Gesellenstück als Aufnahmestück an, dessen Qualität mit darüber entscheidet, ob der Geselle als sogenannter „Aspirant“ (Anwärter) in die Vereinigung aufgenommen wird. Nach bestandener Prüfung setzt der Geselle die Wanderschaft fort. Nach ca. 3 Jahren Wanderschaft kann er als „Compagnon“ vollständiges Mitglied der Compagnonnage und der Vereinigung werden.  Doch erst nach Erstellung eines Meisterstückes erhalten sie die offiziellen Insignien eines Compagnon du Devoir.

Eine Schärpe und einen Wanderstock – je nach Zunft in blau, rot, gelb, grün oder weiß.

Es ist eine wertvolle Lebens- und Berufserfahrung, die einen ein Leben lang begleitet.

 

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